URSULA HOHLWEG

Heilsame Stille.

Müde und erschöpft ließ ich mich auf die Couch fallen.

Mein Kopf tat weh, meine Beine schmerzten vom vielen Herumlaufen und ich merkte erst jetzt, dass mein Magen knurrte. Es war nicht zu überhören.

Ich fühlte einen Druck auf meiner Brust.

„Das war kein guter Tag“, hörte ich eine mir bekannte Stimme sagen.

„Ja… Das war kein guter Tag.“

Es war einfach einer dieser Tage. Voll mit Hektik und Stress. Ohne eine einzige Minute um durchzuatmen und zu verschnaufen.

„Gestern war auch so ein Tag… und vorgestern auch…“, drang es sanft zu meinen Ohren.

Ich seufzte, weil ich zugeben musste, das es stimmte. Die letzten Tage… naja eigentlich schon Wochen waren vollgepackt bis oben hin mit Aufgaben, Erwartungen, Anforderungen und Verpflichtungen, die am besten schon gestern erledigt sein wollten. Dazu kamen dann noch Sorgen und Zweifel, ein paar scheinbar unlösbare Probleme und all die anderen Dinge, die geplant und organisiert werden mussten.

„Aber, ich muss doch dafür sorgen, dass alles perfekt funktioniert!“

„MUSST Du das wirklich?“

„Ja, aber natürlich. Wer kümmert sich denn sonst darum, dass unser Sohn versorgt ist und bei uns zu Hause alles perfekt funktioniert?“

„MUSST Du das wirklich auf diese Art und Weise tun? Auf eine Art und Weise, bei der Du Dich völlig verausgabst und irgendwann vor lauter Hektik und Stress zusammenbrichst?“

Ich schwieg.

Es war mir schon klar, dass das auf lange Sicht nicht wirklich funktionieren konnte. Und ich wusste auch, dass die Tage in letzter Zeit sehr an meine Substanz gingen. Aber ich wusste einfach nicht wie ich es anders machen sollte.

„Leg Deine Hand auf Dein Herz und fühle mal.“

Ich spürte den unruhigen Schlag meines Herzens.

„Spürst du das?“

Es fühlte sich nicht besonders gut an.

Zerfahren. Aufgewühlt. Unrund. Völlig aus dem Gleichgewicht.

„Die Zeit existiert nur in Deinen Gedanken. Du bist unsterblich. Du musst niemals, über Deine eigenen Grenzen gehen. Atme durch und verlangsame Deine hastige und überstürzte Geschwindigkeit und stelle Dich Deiner Angst.“

„Meiner Angst?“, fragte ich etwas ungläubig.

„Ja, Deiner Angst, die Dich immer weiter antreibt zu hasten, zu eilen und Dein Bedürfnis nach Ruhe, Erholung und Entspannung zu unterdrücken.“

„Ja, aber ich kann es mir nicht leisten, mich einfach nieder zu legen und nichts zu tun.“

„Du kannst es was? Es Dir nicht leisten?“

Ich wollte gerade erneut mit einer Reihe von Argumenten loslegen, da wurde ich jäh unterbrochen.

„Du kannst es Dir nicht leisten, Dich nicht auszuruhen und Deiner Sehnsucht nach bei Dir sein, nach Ruhe, Entspannung, Schlaf und süßer Ruhe nachzugeben. Dein Stress, Deine Hektik und Deine Eile sind eine Manifestation Deiner Angst vor Deinem Scheitern und Versagen. Du sitzt in einem Gefängnis der Zeit, mit dessen Hilfe Du Deine Leistungen misst.“

Es stimmte. Ich hatte große Angst davor die Dinge nicht zur Zufriedenheit aller anderen zu erledigen. Ich hatte Angst davor, Fehler zu machen und zu versagen. Und deshalb bemühte ich mich und strengte mich an. Und mein Bemühen erschöpfte mich.

„Werde still und frage Dich, wovor Du Dich fürchtest. Frage Dich, an welches Resultat Du Dich selbst gebunden hast. Du wirst überrascht sein, welche Überzeugungen Du entdecken wirst. Lege sie ab, denn sie machen Dich unglücklich.“

Ich dachte eine Weile nach und stellte fest, dass ich mich eigentlich noch viel mehr davor fürchtete, zuzugeben, dass mir das alles eigentlich schon die längste Zeit zu viel war. Ich hatte Angst davor, dass ich ausgelacht werden könnte, dass ich verurteilt werden könnte, verwundbar werde wenn ich mich schwach zeigte oder schließlich mit meiner Bitte um Hilfe abgelehnt werden könnte.

„Freue Dich über jeden Moment der Erschöpfung. Setze Dich hin und atme. Lasse alle unnötigen Aktivitäten beiseite und konzentriere Dich auf deine Erholung. Sei liebevoll zu Dir und behandle Dich selbst so sanft wie ein Kind, das in Deinen liebenden Armen ruht. Höre auf mich. In mir findest Du keine Zeit – nur den Pulsschlag der ewigen Liebe des Himmels. Lasse alle Hektik und allen Stress, alle Anstrengung und alle Bemühungen los, die über Deine Kräfte gehen. Atme meine Liebe ein und lasse Dich von der Stille und Kraft meiner Liebe durch Deine Tage tragen.“

Meine Überzeugungen ablegen… ja, das wollte ich… Die Liebe einatmen… Mich von der Stille und Kraft der Liebe durch meine Tage tragen lassen…

Diese Worte klangen noch lange in meinem Kopf und in meinen Füßen nach. Ich fühlte mich, als läge ich plötzlich an einem wunderschönen weißen Strand, umspült von sanften Wellen der Liebe.

In mir wurde es ganz still.

Ich lächelte, als ich so da lag und jede einzelne Woge die Hektik, den Stress, alle Sorgen und meine Anspannung fortspülte.

Und mein Herz, das lächelte auch.

Von Herzen,

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Unbewusste Trauer.

Wenn wir trauern, ohne es zu wissen...

Wenn die Erfahrung eines Verlustes kaum oder gar nicht emotional erfahren und durchlebt wird oder werden kann, drückt sich die Trauerreaktion vorwiegend über körperliche Symptome aus. Der Körper übernimmt die unverarbeiteten Gefühle und entwickelt spezifische Anpassungsstrategien, die sich als chronische und/oder psychosomatische Beschwerden zeigen. Die Trauer ist so tief in uns verborgen, dass wir uns an sie nicht mehr bewusst erinnern – wir haben die Verbindung zu unseren tiefsten Gefühlen verloren.

Vielleicht gab es schon in unserer Kindheit in unserem familiären Umfeld aus den verschiedensten Gründen kein Platz für unsere Gefühle. Vielleicht war niemand da, der unsere Trauer wahrgenommen hat. Vielleicht wollten wir unsere Trauer auch gar nicht zeigen, weil wir uns für unsere Gefühle schämten oder wir unsere Eltern und Geschwister nicht belasten wollten.

Aus der Somato Emotionalen Entspannung ist Phänomen der Trauer über unvollendete biologische Prozesse bekannt. Das bedeutet, dass ein natürlich geplanter oder vorherbestimmter biologischer Ablauf nicht vollendet wurde und sich als Unwohl-Sein, Schmerz oder Störung im Körper manifestiert. Dies kann eine Schwangerschaft sein, die durch eine Fehlgeburt oder einen Not-Kaiserschnitt nicht dem biologischen Programm gemäß vollendet wurde. Oder eine Geburt, bei der das Bonding mit dem Baby nicht in der optimalen Form möglich war. Auch ein gestörter Prozess der Reproduktion durch Sterilisation oder Kinderlosigkeit kann zu körperlichen Trauerprozessen führen.

Aber auch der Verlust der körperlichen Unversehrtheit durch Operationen, durch schwere Krankheiten oder der Verlust von biologischen Funktionen und körperlichen Fähigkeiten wie z.B. durch eine Sterilisation, eine Amputation oder die Entfernung eines Organs können biologische Trauerprozesse und entsprechende psychosomatische Beschwerden auslösen, wenn sich Betroffene des Verlustes nicht bewusst sind und diesen weder verarbeitet noch integriert haben.

Und schließlich kann es auch sein, dass wir um etwas trauern, das wir niemals hatten – beispielsweise eine unbeschwerte Kindheit, wenn wir ohne Vater, Mutter, Großeltern oder Geschwister aufwuchsen. Wenn wir viel zu früh erwachsen werden mussten durch kranke, traumatisierte oder süchtige Eltern, um die wir uns kümmern mussten oder weil wir selbst krank und lange Zeit im Spital auf uns selbst gestellt waren. Viele von uns trauern tief in ihrem Inneren, weil sie in einem Umfeld aufwuchsen, in dem ihr wahres Potenzial nicht erkannt, gesehen und gefördert wurde, weil sie nie vollständig und ganz wahrgenommen wurden, so wie sie wirklich sind – ihr Licht, ihre Liebe und ihre Seele.

Wenn wir von Anfang an mit solchen Verlusten leben müssen, dann wird der Verlust „normal“ und wir haben ganz vergessen, dass wir eine tiefe Traurigkeit in uns tragen, die gesehen, gefühlt und erlöst werden will.

Es gibt fünf verschiedene Formen von unbewusster Trauer, die sich besonders gravierend auf unser Leben auswirken: Verlust in vorgeburtlicher Zeit, Verlust einer heilen Geburtserfahrung, Verlust von Urvertrauen im Kindesalter, Verluste aus früheren Leben, Übernommene Verluste aus dem Ahnenfeld. 

Mehr Informationen dazu findest Du im Blog-Artikel „Unbewusste Trauer“.

Komplizierte Trauer.

Wenn Trauer kompliziert wird...

Werden die Gefühle der Trauer aus verschiedensten Gründen verneint, unterdrückt oder nur teilweise durchlebt, kann der Verlust im Laufe der Zeit nicht auf gesunde Weise verarbeitet und integriert werden. Die Auseinandersetzung mit dem Schmerz bleibt aus – wir bleiben in Trauerkrisen verhaftet.

Vor allem dann, wenn Betroffene sich selbst nicht erlauben zu trauern, sich für ihre Trauer schämen oder ihre Trauer aus verschiedenen persönlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Gründen nicht leben können, verkompliziert sich der Trauerprozess.

Die Trauer wird unterdrückt, dauert sehr lange an oder ist mit extremen Gefühlen verbunden – wie beispielsweise starkem Zorn oder extrem starken Schuldgefühlen. Diese Probleme hängen oft mit einer sehr ambivalenten und stark belasteten Beziehung zum Verstorbenen zusammen.

Die nicht verarbeitete Trauer kann sich in Depression, in Panik- und Angstzuständen, in verschiedensten psychosomatischen und körperlichen Symptomen ausdrücken und sogar Suchterkrankungen nach sich ziehen. Wir verlieren den positiven Blick auf uns und unser Leben, unsere Perspektiven und unseren Lebensmut.

Auch bereits länger zurückliegende Verluste, die noch nicht verarbeitet wurden, können eine große Belastung für Betroffene und ihr Umfeld darstellen und zu ungesunden und dauerhaften Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen führen.

Zieht sich der/die Trauernde sozial stark zurück, verspürt starke Schuldgefühle oder lang anhaltende Gefühle von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit oder Verbitterung, leidet unter psychosomatischen Symptomen (Schlaflosigkeit, Brust- oder Herzschmerzen, Gewichtsabnahme, etc.) oder äußert den Wunsch, dem Verstorbenen zu folgen oder ohne das Verlorene nicht weiter leben zu können, ist eine professionelle psychologische Beratung oder Psychotherapie dringend anzuraten.

Erschwerte Trauer.

Wenn Trauer unerträglich ist...

Plötzlich und unerwartete sowie traumatische Todesfälle können den Trauerprozess erschweren oder verhindern beziehungsweise die Trauerreaktionen stark intensivieren.

Wenn Menschen durch eigene Hand (Suizid) aus dem Leben scheiden, ist der Prozess des Abschied-Nehmens und des Trauerns für die Hinterbliebenen sehr komplex. Trauer und Schmerz mischen sich mit Wut und Schuldgefühlen und quälenden Fragen nach dem Warum und was man hätte tun können, um es zu verhindern.

Hinzu kommt, dass das Thema Suizid in unserer Gesellschaft tabubehaftet ist – Betroffene sind mit einem stark verunsicherten Umfeld konfrontiert oder verschweigen den Suizid aus Schamgefühl oder um das Andenken des Verstorbenen nicht zu beschmutzen.

Der Tod des eigenen Kindes (plötzlicher Kindstod, Unfall, Krankheit, Drogenmissbrauch, Selbsttötung oder Gewaltverbrechen) stürzt die Hinterbliebenen und ihre gesamtes Umfeld meist in eine tiefe persönliche, partnerschaftliche und familiäre Krise. Nach einer Fehlgeburt, einer stillen Geburt oder dem Tod eines Neugeborenen fehlt im Umfeld häufig das Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse verwaister Eltern. 

Ein medizinisch notwendiger oder von den Eltern gewollter  Schwangerschaftsabbruch stellt ebenfalls eine traumatische Erfahrung und eine große Belastung für die Eltern und auch ihre Beziehung dar. Das Verständnis, dass nach einer bewussten Entscheidung zur Beendigung einer Schwangerschaft großer Schmerz, tiefe Trauer und starke Schulgefühle auftreten, fehlt meistens.

Auch unklare Verlustsituationen bei verschwundenen, verschollenen oder vermissten Personen, eine besonders belastete Beziehungssituation (körperlicher oder emotionaler Missbrauch, Co-Abhängigkeit),  vorausgegangene nicht bewältigte Verlusterfahrungen, soziale Isolation, ein fehlender emotionaler Austausch im persönlichen Umfeld sowie die Vermeidung der Auseinandersetzung mit dem Verlust können eine natürliche Verarbeitung erschweren, verlängern oder sogar unmöglich machen.