URSULA HOHLWEG

Wie kam es dazu, dass Du Dein erstes Buch „dazwischen“ geschrieben hast?

Im Februar 2012, kurz nach der Geburt meines Sohnes, fiel ich in ein tiefes Loch.

Durch einem Zwischenfall bei der Entbindung, verbunden mit einem sehr hohen Blutverlust, lag ich 28 Stunden im Koma und überlebte nur äußerst knapp.

Meine Welt war nicht mehr die selbe. Der Boden unter meinen Füßen war verschwunden.

Ich konnte es einfach nicht fassen, nicht begreifen, dass ich schon wieder für mein Leben kämpfen musste. Schon wieder.

Einer der schönsten Tage in meinem Leben, die Geburt meines einzigen Kindes sollte für mich und für uns alle zum Albtraum werden. Schon wieder.

Mein Körper versagte. Schon wieder.

All diese harte Arbeit an mir selbst, um meine Ess-Störungen und all meine frühen, traumatischen Prägungen zu überwinden, das Auflösen, das durch den Schmerz gehen, all diese harte Arbeit – alles umsonst.

Zumindest dachte ich das.

Ich war total verzweifelt.

Und ich zweifelte tatsächlich an allem. An mir. An dem was ich tat, an dem was ich wollte, an dem, was ich spürte.

Ich zweifelte am Sinn des Lebens. Ich zweifelte am Leben allgemein. Und ich zweifelte an Gott.

Aber ich musste funktionieren. Wie immer.

Es gab keine Zeit um wieder zu mir zu finden. Keine Zeit, um neuen Sinn oder Lebensmut für mich zu finden. Keine Zeit um zu verarbeiten, was geschehen war und was es für mich bedeutete.

Ich musste und wollte da sein für meinen neugeborenen Sohn.

Doch es fiel mir sehr schwer.

Ich war so unfassbar traurig und wütend über all das was geschehen war.

Es hätte doch ganz anders laufen sollen!

Ich trauerte um den Verlust einer glücklichen Geburt. Ich hatte keinen Glücksrausch nach der Geburt. Ich hatte kostbare 28 Stunden Bonding-Zeit mit meinem Baby verloren und das Gefühl, dass ich das nie wieder aufholen oder wieder gut machen könnte.

Ich hatte Angst, dass unsere Beziehung sich deshalb nie richtig oder gesund entwickeln könnte. Ich durfte nicht stillen, alles war einfach ganz anders, als es sein sollte.

Ich war von einer tiefen Traurigkeit erfüllt, die mich innerlich erdrückte und es fiel mir sehr schwer, meinen Alltag zu meistern.

Nach ein paar Monaten begann ich eine Stimme in meinem Inneren wahrzunehmen: „Schreib alles auf.“

Ich wusste zunächst nicht was und auch nicht wozu.

Aber die Stimme in mir ließ nicht locker: „Schreib alles auf. Alles was du schon gelernt hast. Alles was dir geschehen ist. Alles was du schon weißt. Schreib es auf!“

Und je öfter diese Stimme zu mir sprach um so mehr fügten sich in meinem Inneren all die vielen Puzzle-Steine meines Lebens wie von Zauberhand zu einem einzigen roten Faden zusammen.

Und ich schrieb. 

Sechs Wochen lang.

Und dann war es fertig. Mein erstes Buch.

Und ich war wieder ganz bei mir.

Seit Anfang 2023 befindet sich mein Buch in optischer und inhaltlicher Überarbeitung und wird – belebt und bereichert durch die wundervollen Illustrationen von Ruth Jahn – im Frühjahr 2024 in einem lichtvollen Seelengewand das Licht der Welt erneut erblicken.

Ich freue mich schon sehr darauf, von Dir zu hören, wie Dir mein Buch gefallen hat.

Von Herzen,

Ursula =)

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Unbewusste Trauer.

Wenn wir trauern, ohne es zu wissen...

Wenn die Erfahrung eines Verlustes kaum oder gar nicht emotional erfahren und durchlebt wird oder werden kann, drückt sich die Trauerreaktion vorwiegend über körperliche Symptome aus. Der Körper übernimmt die unverarbeiteten Gefühle und entwickelt spezifische Anpassungsstrategien, die sich als chronische und/oder psychosomatische Beschwerden zeigen. Die Trauer ist so tief in uns verborgen, dass wir uns an sie nicht mehr bewusst erinnern – wir haben die Verbindung zu unseren tiefsten Gefühlen verloren.

Vielleicht gab es schon in unserer Kindheit in unserem familiären Umfeld aus den verschiedensten Gründen kein Platz für unsere Gefühle. Vielleicht war niemand da, der unsere Trauer wahrgenommen hat. Vielleicht wollten wir unsere Trauer auch gar nicht zeigen, weil wir uns für unsere Gefühle schämten oder wir unsere Eltern und Geschwister nicht belasten wollten.

Aus der Somato Emotionalen Entspannung ist Phänomen der Trauer über unvollendete biologische Prozesse bekannt. Das bedeutet, dass ein natürlich geplanter oder vorherbestimmter biologischer Ablauf nicht vollendet wurde und sich als Unwohl-Sein, Schmerz oder Störung im Körper manifestiert. Dies kann eine Schwangerschaft sein, die durch eine Fehlgeburt oder einen Not-Kaiserschnitt nicht dem biologischen Programm gemäß vollendet wurde. Oder eine Geburt, bei der das Bonding mit dem Baby nicht in der optimalen Form möglich war. Auch ein gestörter Prozess der Reproduktion durch Sterilisation oder Kinderlosigkeit kann zu körperlichen Trauerprozessen führen.

Aber auch der Verlust der körperlichen Unversehrtheit durch Operationen, durch schwere Krankheiten oder der Verlust von biologischen Funktionen und körperlichen Fähigkeiten wie z.B. durch eine Sterilisation, eine Amputation oder die Entfernung eines Organs können biologische Trauerprozesse und entsprechende psychosomatische Beschwerden auslösen, wenn sich Betroffene des Verlustes nicht bewusst sind und diesen weder verarbeitet noch integriert haben.

Und schließlich kann es auch sein, dass wir um etwas trauern, das wir niemals hatten – beispielsweise eine unbeschwerte Kindheit, wenn wir ohne Vater, Mutter, Großeltern oder Geschwister aufwuchsen. Wenn wir viel zu früh erwachsen werden mussten durch kranke, traumatisierte oder süchtige Eltern, um die wir uns kümmern mussten oder weil wir selbst krank und lange Zeit im Spital auf uns selbst gestellt waren. Viele von uns trauern tief in ihrem Inneren, weil sie in einem Umfeld aufwuchsen, in dem ihr wahres Potenzial nicht erkannt, gesehen und gefördert wurde, weil sie nie vollständig und ganz wahrgenommen wurden, so wie sie wirklich sind – ihr Licht, ihre Liebe und ihre Seele.

Wenn wir von Anfang an mit solchen Verlusten leben müssen, dann wird der Verlust „normal“ und wir haben ganz vergessen, dass wir eine tiefe Traurigkeit in uns tragen, die gesehen, gefühlt und erlöst werden will.

Es gibt fünf verschiedene Formen von unbewusster Trauer, die sich besonders gravierend auf unser Leben auswirken: Verlust in vorgeburtlicher Zeit, Verlust einer heilen Geburtserfahrung, Verlust von Urvertrauen im Kindesalter, Verluste aus früheren Leben, Übernommene Verluste aus dem Ahnenfeld. 

Mehr Informationen dazu findest Du im Blog-Artikel „Unbewusste Trauer“.

Komplizierte Trauer.

Wenn Trauer kompliziert wird...

Werden die Gefühle der Trauer aus verschiedensten Gründen verneint, unterdrückt oder nur teilweise durchlebt, kann der Verlust im Laufe der Zeit nicht auf gesunde Weise verarbeitet und integriert werden. Die Auseinandersetzung mit dem Schmerz bleibt aus – wir bleiben in Trauerkrisen verhaftet.

Vor allem dann, wenn Betroffene sich selbst nicht erlauben zu trauern, sich für ihre Trauer schämen oder ihre Trauer aus verschiedenen persönlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Gründen nicht leben können, verkompliziert sich der Trauerprozess.

Die Trauer wird unterdrückt, dauert sehr lange an oder ist mit extremen Gefühlen verbunden – wie beispielsweise starkem Zorn oder extrem starken Schuldgefühlen. Diese Probleme hängen oft mit einer sehr ambivalenten und stark belasteten Beziehung zum Verstorbenen zusammen.

Die nicht verarbeitete Trauer kann sich in Depression, in Panik- und Angstzuständen, in verschiedensten psychosomatischen und körperlichen Symptomen ausdrücken und sogar Suchterkrankungen nach sich ziehen. Wir verlieren den positiven Blick auf uns und unser Leben, unsere Perspektiven und unseren Lebensmut.

Auch bereits länger zurückliegende Verluste, die noch nicht verarbeitet wurden, können eine große Belastung für Betroffene und ihr Umfeld darstellen und zu ungesunden und dauerhaften Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen führen.

Zieht sich der/die Trauernde sozial stark zurück, verspürt starke Schuldgefühle oder lang anhaltende Gefühle von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit oder Verbitterung, leidet unter psychosomatischen Symptomen (Schlaflosigkeit, Brust- oder Herzschmerzen, Gewichtsabnahme, etc.) oder äußert den Wunsch, dem Verstorbenen zu folgen oder ohne das Verlorene nicht weiter leben zu können, ist eine professionelle psychologische Beratung oder Psychotherapie dringend anzuraten.

Erschwerte Trauer.

Wenn Trauer unerträglich ist...

Plötzlich und unerwartete sowie traumatische Todesfälle können den Trauerprozess erschweren oder verhindern beziehungsweise die Trauerreaktionen stark intensivieren.

Wenn Menschen durch eigene Hand (Suizid) aus dem Leben scheiden, ist der Prozess des Abschied-Nehmens und des Trauerns für die Hinterbliebenen sehr komplex. Trauer und Schmerz mischen sich mit Wut und Schuldgefühlen und quälenden Fragen nach dem Warum und was man hätte tun können, um es zu verhindern.

Hinzu kommt, dass das Thema Suizid in unserer Gesellschaft tabubehaftet ist – Betroffene sind mit einem stark verunsicherten Umfeld konfrontiert oder verschweigen den Suizid aus Schamgefühl oder um das Andenken des Verstorbenen nicht zu beschmutzen.

Der Tod des eigenen Kindes (plötzlicher Kindstod, Unfall, Krankheit, Drogenmissbrauch, Selbsttötung oder Gewaltverbrechen) stürzt die Hinterbliebenen und ihre gesamtes Umfeld meist in eine tiefe persönliche, partnerschaftliche und familiäre Krise. Nach einer Fehlgeburt, einer stillen Geburt oder dem Tod eines Neugeborenen fehlt im Umfeld häufig das Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse verwaister Eltern. 

Ein medizinisch notwendiger oder von den Eltern gewollter  Schwangerschaftsabbruch stellt ebenfalls eine traumatische Erfahrung und eine große Belastung für die Eltern und auch ihre Beziehung dar. Das Verständnis, dass nach einer bewussten Entscheidung zur Beendigung einer Schwangerschaft großer Schmerz, tiefe Trauer und starke Schulgefühle auftreten, fehlt meistens.

Auch unklare Verlustsituationen bei verschwundenen, verschollenen oder vermissten Personen, eine besonders belastete Beziehungssituation (körperlicher oder emotionaler Missbrauch, Co-Abhängigkeit),  vorausgegangene nicht bewältigte Verlusterfahrungen, soziale Isolation, ein fehlender emotionaler Austausch im persönlichen Umfeld sowie die Vermeidung der Auseinandersetzung mit dem Verlust können eine natürliche Verarbeitung erschweren, verlängern oder sogar unmöglich machen.