URSULA HOHLWEG

Dein Hin und Her in der Trauer – Das Duale Prozessmodell als Wegbegleiter

Inhaltsverzeichnis

Trauer kann sich anfühlen wie ein ständiges Hin und Her: An manchen Tagen bist Du tief in Deinem Schmerz versunken, an anderen schaffst Du es, den Alltag zu meistern – nur um Dich danach vielleicht schuldig zu fühlen, weil Du gelacht hast. Dieses Oszillieren ist nicht nur normal, sondern ein natürlicher Teil Deines Trauerprozesses. Das Duale Prozessmodell (DPM), entwickelt von Margaret Stroebe und Henk Schut, bietet Dir eine Landkarte, um dieses Wechselspiel zu verstehen und anzunehmen.

Als Lebens- und Sozialberaterin, Ehe- und Familienberaterin, Craniosacral-Therapeutin und Trauerbegleiterin lade ich Dich ein, dieses Modell mit mir zu erkunden. Mit meiner Kombination aus einfühlsamen Gesprächen und achtsamer Körperarbeit – inspiriert von Methoden wie Craniosacraler Biodynamik oder Systemischen Aufstellungen – unterstütze ich Dich, Balance zwischen Trauer und Leben zu finden, besonders bei komplexen Themen wie vorgeburtlichen Prägungen oder Trauer nach emotionalem Missbrauch.

Dieser Artikel bietet Dir eine tiefgehende Erklärung des Modells, praktische Tipps, Rituale und Übungen, um Dein Hin und Her achtsam zu gestalten.

Was ist das Duale Prozessmodell (DPM)?

Trauer ist kein linearer Weg, sondern ein dynamisches Pendeln zwischen zwei Welten: dem Schmerz des Verlustes und dem Leben, das weitergeht. Das Duale Prozessmodell (DPM), entwickelt im Jahr 1999 von Margaret Stroebe und Henk Schut und 2015 um die Familienperspektive erweitert (DPM-R), beschreibt diesen Prozess als Oszillation zwischen zwei Aufgaben:

  • Verlustbezogene Aufgaben: Das Zulassen von Gefühlen wie Trauer, Wut oder Sehnsucht, das Verarbeiten von Erinnerungen und das Auseinandersetzen mit dem Verlust.
  • Wiederherstellungsbezogene Aufgaben: Das Gestalten des Alltags, das Finden neuer Rollen oder das Pflegen von Beziehungen, um das Leben neu aufzubauen.

Dieses Hin und Her ist kein Widerspruch, sondern ein Zeichen Deiner Fähigkeit, sowohl zu lieben als auch zu leben. Das Modell entlastet Dich, indem es zeigt, dass es in Ordnung ist, mal in der Trauer zu verweilen und mal den Alltag zu genießen. Es würdigt Deine individuelle Reise und lädt Dich ein, beide Aspekte mit Mitgefühl zu umarmen.

Wie Trauernde das Hin und Her erleben

Das Duale Prozessmodell spiegelt das, was viele Trauernde fühlen: ein ständiges Wechseln zwischen Schmerz und Hoffnung. Vielleicht weinst Du morgens beim Anblick eines Fotos, schaffst es mittags, mit Freund:innen zu lachen, und fühlst Dich abends schuldig, weil Du „zu normal“ warst. Diese Ambivalenz kann verwirrend sein, besonders wenn Du Dich fragst, ob Du „richtig“ trauerst.

Schuldgefühle, Erschöpfung oder das Gefühl, zwischen zwei Welten zu stehen, sind normal. Bei Trauer nach emotionalem Missbrauch können diese Schwankungen intensiver sein, da ambivalente Gefühle zur verstorbenen Person das Oszillieren erschweren. Auch transgenerationale Trauer – unverarbeitete Verluste früherer Generationen – kann das Hin und Her beeinflussen, indem alte Schmerzen hochkommen.

Praktische Tipps und Rituale für das Duale Prozessmodell

Das Duale Prozessmodell ermutigt Dich, beide Aufgaben – verlustbezogen und wiederherstellungsbezogen – bewusst zu gestalten. Hier sind Tipps, Rituale und Übungen, die Dir helfen, das Oszillieren achtsam zu erleben:

Verlustbezogene Aufgaben: Deinen Schmerz umarmen

  • Ritual – Trauerzeit reservieren: Plane täglich 15 Minuten, um Dich Deiner Trauer zu widmen. Zünde eine Kerze an, sieh Fotos an oder schreibe in ein Tagebuch, was Du vermisst. Dies gibt Deinen Gefühlen Raum, ohne Dich zu überwältigen.
  • Körperübung – Trauer spüren: Lege eine Hand auf Dein Herz, atme tief und lass Tränen oder Gefühle fließen, ohne sie zu stoppen. Wiederhole dies fünf Minuten lang, um Dich mit Deinem Schmerz zu verbinden.
  • Brief schreiben: Schreibe dem Verstorbenen einen Brief, um Sehnsucht, Wut oder Liebe auszudrücken. Lies ihn laut vor oder verbrenne ihn symbolisch.
  • Tagebuch: Notiere, welche Gefühle auftauchen, wenn Du Dich dem Verlust widmest, um sie zu würdigen, ohne sie zu bewerten.
  • Selbstmitgefühl: Erinnere Dich selbst daran: „Es ist okay, zu trauern.“ Sprich Dir innerlich zu, wie Du es einem Freund tun würdest.

Wiederherstellungsbezogene Aufgaben: Das Leben neu gestalten

  • Ritual – Alltagsanker schaffen: Etabliere eine Morgenroutine, z. B. Kaffee trinken und Musik hören, um Stabilität zu fördern. Dies hilft, Dich im Hier und Jetzt zu verankern.
  • Körperübung – Bewegung für Energie: Gehe 10 Minuten spazieren oder tanze zu inspirierender Musik, um Dich mit dem Leben zu verbinden. Spüre, wie Dein Körper lebendig wird.
  • Kleine Ziele setzen: Beginne ein kleines Projekt, z. B. ein neues Rezept kochen oder einen Kurs besuchen, um Dich neu zu entdecken.
  • Beziehungen pflegen: Verbringe Zeit mit Menschen, die Dir guttun, und erlaube Dir, Freude zu empfinden, ohne Schuldgefühle.
  • Reflexion: Schreibe in Dein Tagebuch, welche Momente Dir Kraft geben, um Deine Fortschritte zu sehen.

Balance finden: Das Oszillieren achtsam gestalten

  • Zeitmanagement: Plane bewusst Zeiten für Trauer und Alltag, z. B. morgens ein Trauerritual, nachmittags einen Spaziergang.
  • Körperübung – Balance atmen: Atme abwechselnd durch das linke und rechte Nasenloch (je 4 Sekunden ein, 4 aus), um Deine Energien auszugleichen. Dies beruhigt das Nervensystem.
  • Tagebuch: Notiere, wann Du Dich verlust- oder wiederherstellungsorientiert fühlst, um das Oszillieren zu verstehen und anzunehmen.
  • Selbstfürsorge: Achte auf Schlaf, Ernährung und Ruhe, um Kraft für beide Aufgaben zu haben.

Wie ich Dich unterstütze

Als Trauerbegleiterin nutze ich das Duale Prozessmodell, um Dich in Deinem Hin und Her zu begleiten. Meine Kombination aus Gespräch und Körperarbeit hilft Dir, beide Aufgaben – Trauer und Leben – in Einklang zu bringen:

  • Einfühlsame Gespräche: Wir reflektieren Deine Gefühle und Schuldgefühle, um das Oszillieren zu entlasten, besonders bei Trauer nach emotionalem Missbrauch, wo Ambivalenzen stark sein können.
  • Körperarbeit: Somato Emotionale Entspannung löst verlustbezogene Emotionen im Körper, während Kahi Loa wiederherstellende Energie fördert. Craniosacrale Biodynamik beruhigt Dein Nervensystem, besonders bei vorgeburtlichen Prägungen, die das Oszillieren erschweren.
  • Systemische Aufstellungen: Wir klären familiäre oder transgenerationale Dynamiken, die Deine Balance stören, z. B. unverarbeitete Verluste früherer Generationen.

Mit diesen Methoden unterstütze ich Dich, Dein Hin und Her als natürlichen Teil Deiner Trauer anzunehmen und mit Vertrauen zu gestalten.

Dein Weg mit dem Dualen Prozessmodell

Das Duale Prozessmodell zeigt Dir, dass Dein Hin und Her kein Widerspruch ist, sondern ein Ausdruck Deiner Liebe und Deiner Lebenskraft. Jeder Moment der Trauer und jeder Schritt ins Leben sind Teil Deines Weges.

Möchtest Du dieses Pendeln achtsam gestalten? Kontaktiere mich gerne telefonisch, per E-Mail oder Messenger für Terminvereinbarungen. Ich freue mich, Dich mit Gespräch und Körperarbeit auf Deinem Weg zu Balance und innerem Frieden zu begleiten!

Von Herzen,

Ursula =)

Unbewusste Trauer.

Wenn wir trauern, ohne es zu wissen...

Wenn die Erfahrung eines Verlustes kaum oder gar nicht emotional erfahren und durchlebt wird oder werden kann, drückt sich die Trauerreaktion vorwiegend über körperliche Symptome aus. Der Körper übernimmt die unverarbeiteten Gefühle und entwickelt spezifische Anpassungsstrategien, die sich als chronische und/oder psychosomatische Beschwerden zeigen. Die Trauer ist so tief in uns verborgen, dass wir uns an sie nicht mehr bewusst erinnern – wir haben die Verbindung zu unseren tiefsten Gefühlen verloren.

Vielleicht gab es schon in unserer Kindheit in unserem familiären Umfeld aus den verschiedensten Gründen kein Platz für unsere Gefühle. Vielleicht war niemand da, der unsere Trauer wahrgenommen hat. Vielleicht wollten wir unsere Trauer auch gar nicht zeigen, weil wir uns für unsere Gefühle schämten oder wir unsere Eltern und Geschwister nicht belasten wollten.

Aus der Somato Emotionalen Entspannung ist Phänomen der Trauer über unvollendete biologische Prozesse bekannt. Das bedeutet, dass ein natürlich geplanter oder vorherbestimmter biologischer Ablauf nicht vollendet wurde und sich als Unwohl-Sein, Schmerz oder Störung im Körper manifestiert. Dies kann eine Schwangerschaft sein, die durch eine Fehlgeburt oder einen Not-Kaiserschnitt nicht dem biologischen Programm gemäß vollendet wurde. Oder eine Geburt, bei der das Bonding mit dem Baby nicht in der optimalen Form möglich war. Auch ein gestörter Prozess der Reproduktion durch Sterilisation oder Kinderlosigkeit kann zu körperlichen Trauerprozessen führen.

Aber auch der Verlust der körperlichen Unversehrtheit durch Operationen, durch schwere Krankheiten oder der Verlust von biologischen Funktionen und körperlichen Fähigkeiten wie z.B. durch eine Sterilisation, eine Amputation oder die Entfernung eines Organs können biologische Trauerprozesse und entsprechende psychosomatische Beschwerden auslösen, wenn sich Betroffene des Verlustes nicht bewusst sind und diesen weder verarbeitet noch integriert haben.

Und schließlich kann es auch sein, dass wir um etwas trauern, das wir niemals hatten – beispielsweise eine unbeschwerte Kindheit, wenn wir ohne Vater, Mutter, Großeltern oder Geschwister aufwuchsen. Wenn wir viel zu früh erwachsen werden mussten durch kranke, traumatisierte oder süchtige Eltern, um die wir uns kümmern mussten oder weil wir selbst krank und lange Zeit im Spital auf uns selbst gestellt waren. Viele von uns trauern tief in ihrem Inneren, weil sie in einem Umfeld aufwuchsen, in dem ihr wahres Potenzial nicht erkannt, gesehen und gefördert wurde, weil sie nie vollständig und ganz wahrgenommen wurden, so wie sie wirklich sind – ihr Licht, ihre Liebe und ihre Seele.

Wenn wir von Anfang an mit solchen Verlusten leben müssen, dann wird der Verlust „normal“ und wir haben ganz vergessen, dass wir eine tiefe Traurigkeit in uns tragen, die gesehen, gefühlt und erlöst werden will.

Es gibt fünf verschiedene Formen von unbewusster Trauer, die sich besonders gravierend auf unser Leben auswirken: Verlust in vorgeburtlicher Zeit, Verlust einer heilen Geburtserfahrung, Verlust von Urvertrauen im Kindesalter, Verluste aus früheren Leben, Übernommene Verluste aus dem Ahnenfeld. 

Mehr Informationen dazu findest Du im Blog-Artikel „Unbewusste Trauer“.

Komplizierte Trauer.

Wenn Trauer kompliziert wird...

Werden die Gefühle der Trauer aus verschiedensten Gründen verneint, unterdrückt oder nur teilweise durchlebt, kann der Verlust im Laufe der Zeit nicht auf gesunde Weise verarbeitet und integriert werden. Die Auseinandersetzung mit dem Schmerz bleibt aus – wir bleiben in Trauerkrisen verhaftet.

Vor allem dann, wenn Betroffene sich selbst nicht erlauben zu trauern, sich für ihre Trauer schämen oder ihre Trauer aus verschiedenen persönlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Gründen nicht leben können, verkompliziert sich der Trauerprozess.

Die Trauer wird unterdrückt, dauert sehr lange an oder ist mit extremen Gefühlen verbunden – wie beispielsweise starkem Zorn oder extrem starken Schuldgefühlen. Diese Probleme hängen oft mit einer sehr ambivalenten und stark belasteten Beziehung zum Verstorbenen zusammen.

Die nicht verarbeitete Trauer kann sich in Depression, in Panik- und Angstzuständen, in verschiedensten psychosomatischen und körperlichen Symptomen ausdrücken und sogar Suchterkrankungen nach sich ziehen. Wir verlieren den positiven Blick auf uns und unser Leben, unsere Perspektiven und unseren Lebensmut.

Auch bereits länger zurückliegende Verluste, die noch nicht verarbeitet wurden, können eine große Belastung für Betroffene und ihr Umfeld darstellen und zu ungesunden und dauerhaften Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen führen.

Zieht sich der/die Trauernde sozial stark zurück, verspürt starke Schuldgefühle oder lang anhaltende Gefühle von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit oder Verbitterung, leidet unter psychosomatischen Symptomen (Schlaflosigkeit, Brust- oder Herzschmerzen, Gewichtsabnahme, etc.) oder äußert den Wunsch, dem Verstorbenen zu folgen oder ohne das Verlorene nicht weiter leben zu können, ist eine professionelle psychologische Beratung oder Psychotherapie dringend anzuraten.

Erschwerte Trauer.

Wenn Trauer unerträglich ist...

Plötzlich und unerwartete sowie traumatische Todesfälle können den Trauerprozess erschweren oder verhindern beziehungsweise die Trauerreaktionen stark intensivieren.

Wenn Menschen durch eigene Hand (Suizid) aus dem Leben scheiden, ist der Prozess des Abschied-Nehmens und des Trauerns für die Hinterbliebenen sehr komplex. Trauer und Schmerz mischen sich mit Wut und Schuldgefühlen und quälenden Fragen nach dem Warum und was man hätte tun können, um es zu verhindern.

Hinzu kommt, dass das Thema Suizid in unserer Gesellschaft tabubehaftet ist – Betroffene sind mit einem stark verunsicherten Umfeld konfrontiert oder verschweigen den Suizid aus Schamgefühl oder um das Andenken des Verstorbenen nicht zu beschmutzen.

Der Tod des eigenen Kindes (plötzlicher Kindstod, Unfall, Krankheit, Drogenmissbrauch, Selbsttötung oder Gewaltverbrechen) stürzt die Hinterbliebenen und ihre gesamtes Umfeld meist in eine tiefe persönliche, partnerschaftliche und familiäre Krise. Nach einer Fehlgeburt, einer stillen Geburt oder dem Tod eines Neugeborenen fehlt im Umfeld häufig das Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse verwaister Eltern. 

Ein medizinisch notwendiger oder von den Eltern gewollter  Schwangerschaftsabbruch stellt ebenfalls eine traumatische Erfahrung und eine große Belastung für die Eltern und auch ihre Beziehung dar. Das Verständnis, dass nach einer bewussten Entscheidung zur Beendigung einer Schwangerschaft großer Schmerz, tiefe Trauer und starke Schulgefühle auftreten, fehlt meistens.

Auch unklare Verlustsituationen bei verschwundenen, verschollenen oder vermissten Personen, eine besonders belastete Beziehungssituation (körperlicher oder emotionaler Missbrauch, Co-Abhängigkeit),  vorausgegangene nicht bewältigte Verlusterfahrungen, soziale Isolation, ein fehlender emotionaler Austausch im persönlichen Umfeld sowie die Vermeidung der Auseinandersetzung mit dem Verlust können eine natürliche Verarbeitung erschweren, verlängern oder sogar unmöglich machen.